Ich bin letztes Jahr im September ungewollt schwanger geworden, nachdem ich die Pille im März aufgrund bekannter Nachteile abgesetzt habe. Ich habe es in der fünften Woche gemerkt und bin dann Anfang Oktober zu meiner Gynäkologin gegangen, die mir natürlich zunächst gratuliert hat, aber der ich dann sehr schnell erklärt habe, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich die Schwangerschaft fortsetzen möchte. Ihre Lösung: Wir sind ja recht früh dran, wieso warten wir nicht 2 Wochen und schauen, ob sich alles entwickelt, wie es sich normalerweise entwickeln soll oder ob mir die Entscheidung nicht sogar abgenommen wird. Mit dem Deal war ich zunächst zufrieden, da ich mir sehr unsicher war. Ich wusste, für uns ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen. Zwar stehe ich kurz vor dem Ende meines Studiums, die Geburt würde aber direkt vor die Prüfungen fallen. Zwar leben wir nicht an der Armutsgrenze, aber wir haben bisher auch nur Studierendenjobs. Zwar habe ich einen festen Partner, mit dem ich mir mein Leben vorstellen kann, aber wir stehen beide noch am Ende unserer Ausbildung, er noch mittendrin.
Es folgten zwei Wochen der Unsicherheit, Übelkeit, Traurigkeit und des Schauspielerns, da ich es nicht fertig brachte, mit Freunden oder Familie darüber zu reden – eventuell klärt es sich ja sowieso von selbst. Und tatsächlich: Nachdem sich der Fötus auf dem Ultraschall nicht so entwickelte, wie es sollte, wurde mir zweimal Blut abgenommen. Diagnose: missed abortion. Im ersten Moment war ich geschockt: „Habe ich was falsch gemacht? Stimmt etwas nicht mit mir?“ Doch nach und nach stellte sich die Erleichterung ein. Es sollte wohl nicht sein. Der Termin zum Beratungsgespräch wurde abgesagt. Vier Tage später hatte ich den Termin zur Absaugung der „Reste“. Natürlich war ich aufgeregt aber auch erleichtert, dass ein paar Stunden später alles vorbei sein wird. Ich wurde also unter Narkose gesetzt und gefühlt wenige Sekunden später wieder durch eine freudig strahlende Ärztin aufgeweckt: Glückwunsch! Dem Fötus geht es prima, sie haben keinen Eingriff gemacht! Ich begann sofort zu weinen. Nach und nach kam verschiedenes Personal, das mir gratulierte. Das musste ich erstmal zwei Tage sacken lassen. Meine Gynäkologin fiel hinterher aus allen Wolken und entschuldige sich natürlich, was mir jedoch leider nicht bei meinem Gefühlschaos half. Nun also doch: Aufklärungsgespräch, Kostenübernahme, neuen Termin in der Tagesklinik organisieren. Ich dachte: Meine Reaktionen bei den jeweiligen Diagnosen waren ja total eindeutig (Schwangerschaft: oh nein; Fehlgeburt: Puuh; DOCH Schwangerschaft: oh nein…), damit muss ich wohl auf einen Abbruch hinarbeiten… Endlich sprach ich mit zwei Freundinnen über die Geschehnisse, habe mich aber durch das auf und ab, das Warten, den Terminen, die aufgrund Corona alle nur allein wahrgenommen werden durften, sehr eingeigelt. „Wir schaffen das schon allein…“. Ich wollte vor den beiden Freundinnen stark sein, es gleichzeitig nicht meiner Familie erzählen. Je mehr Leute es wissen, desto präsenter ist es ja schließlich.
So habe ich am Ende in der neunten Woche in einer anderen Tagesklinik den Abbruch durchführen lassen: „Das nächste Mal passen Sie aber besser auf…“. Mir ging es danach sehr schlecht. Hatte das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein: Wieso nehme ich mir das Recht, aber andere Personen dem Kinde zu liebe nicht, obwohl sie „schwierigere“ Voraussetzungen haben? Ich war mir sicher, dass das emotionale auf und ab mir mich in meiner Entscheidung beeinflusst hat, dass ich mich eventuell anders entschieden hätte, wenn ich direkt zu Beginn der Schwangerschaft mit meinen dortigen Gedanken das Beratungsgespräch geführt hätte. Bis ich -endlich- mit meiner Schwester, ebenfalls überzeugte Feministin, darüber gesprochen habe. Ich dachte mir: Wenn sie oder Freundinnen in solch einer Lage sind, möchte ich auch, dass sie Wissen, dass sie mit mir darüber sprechen können. Sie und auch andere Personen, die ich später einbezogen habe, waren stolz auf mich. Meine Schwester half mir, nicht die ganze Zeit von dem, wie ich es in der Trauer tat, Kind zu reden, an das Kind zu denken, sondern an mich zu denken, von mir zu reden.
Obwohl ich mich selbst als Feministin sehe, welche sich für eine Legalisierung und gegen eine Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ausspricht, war ich in meiner eigenen Geschichte leider nicht so mutig, wie gedacht. Umso glücklicher bin ich, dass ich es dann doch geschafft habe, mich zu öffnen. Natürlich geht mein Schwangerschaftsabbruch nicht jeden etwas an, aber es ist wichtig, zu zeigen, dass auch solche Entscheidungen zum Leben dazu gehören und das man damit nicht allein ist. Die Abschaffung des §218 wäre ein Beginn, um dieser Tabuisierung und Stigmatisierung entgegenzuwirken und allen Personen, die in dieser oder ähnlicher Lage SIND und WAREN zu zeigen, dass sie sich nicht schämen brauchen.