Es war einfach unwürdig, schmierig und schmuddelig – Marion, Berlin

Ich selber kann nicht über einen Abbruch reden, hatte "nur "eine Fehlgeburt. Habe aber in den 70er Jahren meine kleine Schwester zu drei Abbrüchen nach Holland gefahren und wieder zurück. Das waren keine Ausflüge – wir sprachen wenig und zurück war die Stimmung von Angst (ums eigene Leben) Schuld und Zweifeln und auch Verzweiflung geprägt. Zwei Freundinnen in Berlin habe ich zu einem Arzt am Wittenbergplatz gefahren – dessen Adresse wurde in Frauenkreisen unter der Hand gehandelt– und es war einfach unwürdig, schmierig und schmuddelig. In einem Fall hörte meine Kollegin gar nicht auf zu bluten und ich habe sie gleich in die Frauenklinik in der Pulsstraße in Charlottenburg gefahren. Da wusste man schon ohne viel Worte was passiert war und wer den Abbruch vorgenommen hat. Wir wurden sehr unfreundlich – als nur aufs Leben bedachte und Rettende versorgt und behandelt. Nach drei Tagen musste ich sie wieder mit nach Hause nehmen – in meine Obhut – da sie als Suizid verdächtig eingestuft wurde – Ich wurde ihr Vormund für kurze Zeit. Der Vater des Kindes war verheiratet und ihr Chef – als Frau hatte man da gar keine Chance. Wir haben uns danach aus den Augen verloren. Viel später im Leben sahen wir uns nochmal – sie war gut verheiratet, hatte zwei Kinder – Wohlstandsleben – wir sprachen nie wieder ein Wort darüber. Viele schwiegen auch in den Ehen.

Es ist auch nichts was man mit Bravour erzählt – keine Frau macht das aus Spass, es ist immer mit viel Leid verbunden – egal ob legal oder illegal. Der Schmerz liegt bei uns Frauen. Meine Schwester hat fünfmal geheiratet und die vierten Schwangerschaft musste sie laut ihres Arztes austragen. Das Kind habe ich mit groß gezogen. Das ist alles so lange her – viele Frauen machen das noch heute durch - ich mag gar nicht an die Polinnen denken, die gerade kämpfen! Ich kann meine kleine Schwester nicht fragen, ob sie ihre Geschichte erzählen möchte – sie ist manisch- depressiv und lebt in einer betreuten Einrichtung – die Betreuung habe ich an die Tochter abgegeben – da ich noch eine andere Schwester (inzwischen verstorben) und eine Freundin betreue. Mir auch der persönliche Zugang zu ihr fehlte und fehlt – diese Zeit hat uns nicht verbunden. Mich aber in meinem Widerstand zu dem §218 bestärkt.

In der gleichen Zeit kämpfte ich auch für und mit meinem schwulem Lebensfreund und vielen schwulen Freunden und Kollegen (die fast alle an Aids starben) gegen den §175. Die, die überlebt haben, sind sogar miteinander verheiratet. Auch das haben wir geschafft. Kämpfen lohnt sich immer. Es dauert nur manchmal und es gibt Rückschläge – aber niemals aufgeben!

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